Mindfuck-Level: Fortgeschrittener
Auf dem Höhepunkt seiner Karriere war John Carpenter ein Star unter den Horrorregisseuren. Filme wie Halloween oder The Fog – Nebel des Grauens waren gemessen an ihrem Budget große Kassenschlager. In der jüngeren Vergangenheit war es dagegen eher still um Carpenter. The Ward (Originaltitel: John Carpenter’s The Ward) markierte das Ende einer neunjährigen Kinopause, in der Carpenter nur für einzelne Folgen der TV-Serie Masters of Horror Regie führte. Der Comeback-Film wurde sehr kontrovers aufgenommen und teils als starkes Comeback gefeiert, teils als Langweiler verteufelt. Einigkeit dürfte aber darüber herrschen, dass The Ward ein Mindfuck-Film ist.
Eine Mitbewohnerin zu viel
Im Jahr 1966 wird Kristen (Amber Heard) in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen und teilt sich die Station mit verschiedenen anderen Patientinnen. Schnell häufen sich mysteriöse Vorkommnisse, die Kristen zu dem Schluss führen, dass der Geist der vor kurzem verstorbenen Patientin Alice die Station heimsucht. Sogar als weitere Patientinnen verschwinden, hüllen sich Kristens Stationsgenossinnen ebenso in Schweigen wie das Personal. Ein weiteres Rätsel für den Zuschauer sind Bilder eines angeketteten Mädchens, welche immer wieder zwischen die anderen Szenen geschnitten werden, ohne dass sich ein Zusammenhang erschließt.
Kopfsache – Die Auflösung
Wie sich herausstellt, haben Kristens Mitpatientinnen Alices Tod verschuldet. Als alle Patientinnen außer Kristen selbst tot sind, enthüllt ihr behandelnder Arzt die Wahrheit. Der vermeintliche Geist Alice wurde als Kind über Monate gefangen gehalten und missbraucht. Alices Psyche zersplitterte in verschiedene Persönlichkeiten: die verschiedenen Bewohnerinnen der Station, einschließlich Kristen. Diese Persönlichkeiten unterdrückten Alice, was für sie selbst wie ein Mord wirkte. Die anschließenden Morde an den Patientinnen spiegeln einen Heilungsprozess wider: Alice hat der Persönlichkeiten entledigt, die sie nicht mehr braucht. Als Alice offenbar auch Kristen töten kann, scheint sie geheilt. Doch in der letzten Szene wird sie erneut von Kristen attackiert. Ihre Heilung ist also doch noch nicht abgeschlossen.
Der Mindfuck von The Ward
Der Mindfuck von The Ward besteht vor allem darin, dass verschiedene Teile einer mehrfach gespaltenen Persönlichkeit als eigenständige Personen dargestellt werden. Auch Alices Darstellung als mordlustiger Geist ist nur ein Produkt der verzehrten Wahrnehmung der anderen Persönlichkeiten. Angedeutet wird diese Persönlichkeitsspaltung bereits im Vorspann, in dem splitterndes Glas im Vordergrund steht – natürlich eine Metapher für die Persönlichkeitsspaltung. Die Darstellung verschiedener Persönlichkeiten als getrennte Figuren ist sicherlich nicht mehr neu. Doch die Umsetzung eines Prozesses der Neuorganisation von Persönlichkeiten im Stile eines Slasher-Films ist dabei sehr selten. Insbesondere wurde zuvor noch nie die positiv besetzte Persönlichkeit (Alice) über weite Teile des Films als Bedrohung dargestellt.
Fazit
The Ward ist sicherlich nicht Carpenters glorioses Comeback, aber der Film ist sicher auch nicht unzumutbar schlecht. Carpenters Ruf sorgt aber dafür, dass ein durchschnittlicher Film das Publikum enttäuscht. Schließlich erinnern sich die Zuschauer daran, was Carpenter zu leisten im Stande ist. Im negativen Sinne auffällig ist die häufige Verwendung von plötzlichen Schockmomenten. Durch die Häufung wirken sie eher billig und gehen zu Lasten der Atmosphäre, die in den besseren Momenten des Films durchaus überzeugen kann. Auch der Mindfuck ist grundsolide, aber nicht mehr. Es ist positiv hervorzuheben, dass der Plot Twist noch relativ unverbraucht ist.
Allerdings lässt die Auflösung keine Fragen offen und animiert in keiner Weise zum wiederholten Anschauen des Films. Um sich von der Mindfuck-Konkurrenz positiv abzuheben – und das in einer Zeit, wo die Konkurrenz zahlreich ist – reicht das einfach nicht aus.
Weiterführende Links
The Ward bei www.imdb.com
The Ward bei www.rottentomatoes.com
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